Die Stadt Rüdesheim ist eine Touristenstadt mit ca. 50 % ausländischem Gästeanteil und ein weltbekannter Fremdenverkehrsort, der jährlich von ca. 3 Millionen Gästen besucht wird. Darüber hinaus hat die Stadt jährlich ca. 1500 Schiffsanlandungen von Hotelschiffen. Im Jahr 2002 hat die Stadt den städtischen Touristenservice, einschließlich des städtischen Verkehrsamtes privatisiert und dem WTF (Wirtschafts- und Tourismus Förderungsverein) für die Wahrnehmung der bisherigen städtischen Aufgaben einen jährlichen Zuschuss von 350.000.- € gezahlt. Der WTF hat mit diesem Geld die Rüdesheim Tourismus AG (Rüd AG) beauftragt, in ihrem Auftrag die sogenannten touristischen Grundleistungen zu erbringen. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 10 Jahren und läuft bis zum 31.12.2012. Da die Planungen im internationalen Tourismus lange Vorlaufzeiten haben und auch die Personalplanung der Rüd AG notwendige Sicherheit benötigt, begehrt der WTF eine Verlängerung des Vertrages von 2002.
WIR Standpunkt zum Tourismus: Die Stadt Rüdesheim ist für uns unbestritten eine der bedeutenden touristischen Destinationen in Deutschland. Auf Grund der geographischen Lage ist hier ein internationaler Tourismus gewachsen, der über sekundär und tertiär Effekte wirtschaftlich die gesamte Stadt beeinflusst. Unbestritten ist für die WIR, dass in einer touristischen Stadt, wie Rüdesheim am Rhein, die Stadt für eine touristische Infrastruktur zu sorgen hat. Hierzu gehören u. A. ausreichend Parkplätze, öffentliche Toilettenanlagen, Schiffsanlegestellen, ordentliche Gehwege, ansprechende Straßenmöblierung, gepflegte Anlagen, Straßenbeleuchtung, Sicherheitskonzepte und neben weiteren touristischen Details auch eine Anlaufstelle für Besucher (Tourist Center), in dem der Gast Infos und Prospektmaterial erhalten kann, aber auch Anfragen beantwortet, Filmteams betreut, Journalisten mit Material versorgt werden. Die Aufgaben für eine solche Touristische Anlaufstelle sind gerade im Multimedialen Zeitalter sehr vielfältig und kostenintensiv. Die touristische Infrastruktur kommt auch der Bevölkerung zugute. Da eine Einstellung der touristischen Serviceleistungen wohl ernsthaft Niemand fordern wird, hat die Stadt Rüdesheim letztlich nur zwei Möglichkeiten den touristischen Service zu organisieren. Sie kann ihn selbst machen oder in private Hände geben. Für die WIR ist die Privatisierung des touristischen Services die Bessere der beiden Alternativen, da die Stadt nicht so effektiv arbeiten kann, wie dies die private Organisation in den letzten 8 Jahren getan hat. Grundlagen für eine Vertragsverlängerung: Die letzten Jahre, haben uns gezeigt, dass die Privatisierung grundsätzlich erfolgreich war. Verbesserungen sind aus unserer Sicht notwendig, in der Verzahnung der Privatorganisation und den städtischen Mandatsträgern, da nach 8 Jahren (mehr als 1 Wahlperiode) festzustellen ist, dass bei den städtischen Mandatsträgern das Verständnis für touristische Zusammenhänge stark abgenommen hat. Da mit der Privatisierung des städtischen Touristenservices auch weiterhin touristische Infrastruktur durch die Stadt Rüdesheim zu erstellen ist, ist es für optimale städtische Entscheidungen notwendig, dass bei den gewählten Mandatsträgern ein gewisses Maß an „Know How“ vorhanden ist. Zudem ist es nicht ausreichend, dass Zuschüsse, auch wenn sie durch Auslagerung städtischer Aufgaben an Private entstanden sind, ohne entsprechende Kontrolle vergeben werden. Unstrittig dürfte auch sein, dass städtische Gelder lediglich für die gesamte Stadt eingesetzt werden und nicht Einzelne begünstigen dürfen. Deshalb ist die Zahlung an den WTF (oder an eine entsprechend tätige Organisation) mit der Auflage verbunden, dass mit dem Geld sogenannte Grundleistungen zu erbringen sind. Diese sind neben der Bereitstellung mindestens einer Anlaufstelle für Besucher auch die allgemeine Bewerbung aller im Tourismus tätigen Berufsgruppen. Die individuelle Bewerbung Einzelner obliegt einzig und alleine den Betroffenen selbst, die diese Aufgabe durch den Zusammenschluss im WTF bei diesem bündeln können. Die grundsätzliche Frage ist für uns, welche Beträge angemessen sind, um eine angemessene Erbringung der touristischen Grundleistungen zu gewährleisten. Dabei gehen wir davon aus, dass, wenn sich der WTF von der Erbringung der Grundleistungen zurückziehen würde, diese wieder durch die Stadt Rüdesheim, wie bis ins Jahr 2001, erfolgen müssten. Die Kosten des damaligen städtischen Verkehrsamtes lagen jährlich zwischen 300.000.- € und 400.000.- €. Dabei wurde 2001 nur noch mit einer Minipersonalausstattung gearbeitet und die Bedeutung von Internet und Multimedia für den Touristenservice steckten noch in den Kinderschuhen. Es ist sicher unbestritten, dass die Kosten für den Touristenservice, würde dieser durch die Stadt Rüdesheim durchgeführt, jährlichen Steigerungen unterworfen wären und wie andere Einrichtungen der Stadt trotz eingeschränkter Leistungen kostenmäßig ausufern würde. Dennoch ist es bei einem defizitären Haushalt ebenso unbestritten, dass alle Wirtschaftszweige Einschränkungen unterworfen werden müssen. Wir halten deshalb 360.000.- € für einen Betrag, der beiden Interessenseiten gerecht werden dürfte. Bedenkt man die Kosten (Raumkosten, Personalkosten, Energie, Internet, Geschäftsausstattung, Büro- und Reisekosten, Werbekosten, Druckkosten, Reinigungskosten, etc.), so dürfte unter 300.000.- € jährlich ein ordentlicher Betrieb eines Touristenservices kaum möglich sein. Jährliche Kostensteigerungen von ca. 5 % sind von uns auch sehr günstig angesetzt. Danach würde der touristische Service nach 10 Jahren schon 488.000.- € an Kosten verursachen. Die Gesamtkosten in 10 Jahren liegen dann für die Stadt bei ca. 3,8 Millionen €. Die 200.000.- € Unterschied werden durch die vereinbarten Zusatzzahlungen der Jahre 2011 und 2012 noch halbiert, sodass der Stadt durch einen Vertrag, der eine jährliche Zahlung von den im Raum stehenden 360.000.- € beinhaltet, keine höheren Kosten entstehen. Bezieht man auch noch die jährliche Inflationsrate mit in die Überlegungen ein, verbessert sich das Ergebnis zu Gunsten der Stadt und beinhaltet auch eine Reduktion der städtischen Bezuschussung. Finanzierung: Nach unserer Auffassung, handelt es sich bei der Privatisierung des touristischen Services lediglich um eine Auslagerung einer städtischen Pflichtaufgabe. Diese Auslagerung verursacht keine höheren Kosten, als wenn die Aufgabe weiterhin durch die Stadt wahrgenommen würde. Finanzierungsdiskussionen im Rahmen des oben genannten Zuschusses sind also grundsätzlich unter dem Hintergrund zu sehen, dass zur Haushaltskonsolidierung eine allgemeine Kostendiskussion und -reduzierung erforderlich ist. Wir halten allerdings die isolierte Diskussion nur dieser städtischen Ausgabe für wenig hilfreich. Zudem ist natürlich zu berücksichtigen, dass der Tourismus auch eine Menge an städtischen Einnahmen verursacht. Um die Diskussion an dieser Stelle nicht ausufern zu lassen, sei hier nur erwähnt, dass die touristisch veranlassten Parkgebühren alleine schon die Kosten des touristischen Services von 360.000.- € bei weitem übersteigen. Die vom Bürgermeister nun in die Diskussion eingebrachte Auslagerung des touristischen Zuschusses an die Fremdenverkehrsgesellschaft ist sicherlich ein Weg der Umstrukturierung, führt allerdings nicht zu geringeren Kosten bei der Stadt Rüdesheim. Die FreGe ist eine GmbH und finanziell gesund. Dies auch, da die Vertreter der WIR im Beirat ein neues Beitragssystem für die Schiffsanlandungen erarbeitet haben, das erheblich höhere Deckungsbeiträge als in früheren Jahren in die Kassen der Gesellschaft spült. Die FreGe hat dieses zusätzliche Geld in den Ausbau der touristischen Infrastruktur im Bereich der Schiffsanleger gesteckt und hat im Zuge der Neugestaltung des Rheinufers und der Parkanlagen erwartete Investitionen in mehrfacher Millionenhöhe noch vor sich. Die Übernahme der Zahlungen an den WTF durch die FreGe, sind deshalb durch Mittel in gleicher Höhe durch die Stadt Rüdesheim zu unterlegen. Es gebe weniger Transparenz und eine Kosteneinsparung wäre nicht festzustellen. Unter Würdigung aller Argumente scheint es uns der beste Weg die Finanzierungsfrage der Kosten für den touristischen Service getrennt von der Zahlung an den WTF zu behandeln. Dabei müssen die Mandatsträger letztlich entscheiden, ob den touristischen Betrieben zusätzliche Kosten im Zuge einer notwendigen Haushaltskonsolidierung auferlegt werden. Fazit: Wir sind der Überzeugung, dass der touristische Service in Rüdesheim eine notwendige Leistung ist, die auch weiterhin durch Private erbracht werden soll. Die notwendigen finanziellen Mittel, sind deshalb zu erbringen. Wir halten einen festen Zuschuss von 360.000.- € für alle Seiten angemessen und akzeptabel. Die Erträge aus dem Tourismus übersteigen diesen Zuschuss bei weitem. Weitere Finanzierungsfragen des defizitären Haushaltes sind separat zu diskutieren.